Nachdem die Entwicklungsarbeiten an dem Projekt HFB 314 aufgrund fehlender finanzieller Unterstützung seitens der Bundesregierung eingestellt werden mußten, wurde nach einer neuen Aufgabe Ausschau gehalten. Man entschied sich für die Planung eines kleinen Geschäfts und Reiseflugzeuges. Die neue Entwicklung fiel somit nun etwas kleiner als der vorher geplante Mittelstreckenflieger aus.
Die Entwurfs- und Projektabteilungen konstruierten die Neuentwicklung mit vorgepfeilter Flügelanordnung. Auf die Besonderheiten aus technischer Sicht wird an dieser Stelle zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen.
Die Konstruktion wurde in Hamburg vorgenommen, die Herstellung der Einzelteile wurde auf verschiedene Zulieferer verteilt.
Der Rumpf bis zu den Triebwerksgondeln wurde in Hamburg gefertigt.
Das Heck inklusive der Leitwerke lieferte die Firma CASA (Madrid)
Die Firma SIAT (Donauwörth) baute die Flügel sowie die Tiptanks.
General Electric lieferte die Triebwerke und die Firma Lockheed das Fahrwerk.
Die Endmontage erfolgte dann in Hamburg.
Der Inbetriebnahme des Prototypen gingen jedoch komplizierte Tests voraus. Hierzu diente eine sogenannte Bruchzelle, eine HFB 320, die in einer Stellage hohen Biegemomenten ausgesetzt wurde, die weit über dem normalen Flugbetrieb lagen. Eine weitere Zelle wurde in einem Wassertank belastet, um die Innendruckwechsel im Flugbetrieb simulieren zu können.
Der erste Prototyp, die Baunummer 1001-V1 entstand nicht nur, um als erste Maschine dieses Typs den Jungfernflug zu absolvieren. Es gingen auch mit dieser Maschine verschiedene Versuche dem ersten Flug voraus. Unter Anderem mußte das Treibstoffsystem in allen Lagen am Boden getestet werden. Rollversuche, Bremsmanöver, das Testen aller Steuereinrichtungen und viele andere Prüfungen wurden durchgeführt, um einen reibungslosen Erstflug zu ermöglichen.
Der Innenraum des Fliegers wurde anstatt mit einer Kabine mit einer komplizierten Messtechnik ausgerüstet, um simultan die verschiedensten Messwerte erfassen zu können.
Und dann kam der Moment – der Erstflug!
Am 21.04.1964 hob um 10:29h die V1 in Finkenwerder ab – begleitet von einer Grumman Albatross und einer Fouga Magister. Sie sollten im Falle einer Notwasserung in der Elbe zu Hilfe eilen bzw. den Flugbetrieb mit Fotografien und Meßwerten dokumentieren.
Zunächst wurden die verschiedensten Trimmlagen und Funktionen getestet. Mit vorübergehendem Abschalten eines der Triebwerke erfolgte die Simulation eines Ausfalls sowie die Prüfung der Wirksamkeit der Steuerung. Mit der Magister erfolge die Abgleichung der Geschwindigkeitsmesseinrichtungen – es heißt, die Magister sei jedoch recht schnell abgehängt worden…
Der Erstflug mit dem Testpiloten Loren W. Davis (Swede) und dem Flugingenieur Hans Bardill am Steuerhorn endete nach 73 Minuten in Bremen-Lemwerder mit heller Begeisterung.
Loren W. Davis (Swede) & Hans Bardill
Kaum war die V1 in der Luft, startete auch schon das aufwendige Erprobungsprogramm, um diesem Flieger für die Serienfertigung den letzten Schliff zu verpassen und die FAA-Zulassung zu erlangen (FAA = Federal Aviation Agency).
Hierfür waren verschiedenste Nachweise erforderlich. Insgesamt waren es über 2.500 Einzelversuche, von denen ca. 500 Prüfungen ausschließlich im Fluge durchführbar waren. Diese konnten bei weitem nicht alle mit der V1 erfolgen, zumal diese im Mai 1965 während eines Erprobungsfluges abstürzte.
Während die V2 als Vorführflugzeug eingesetzt und der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, traten die nächsten Baumuster die weiteren Tests an.
Unter Beweis gestellt werden mußte die Betriebssicherheit in allen erdenklichen Situationen. Dazu wurde der Flieger z.B. in kritische, instabile Fluglagen gesteuert, die nahe an der Belastungsgrenze lagen. Aus einem Versuch heraus, bei dem der oben abgebildete Prototyp V1 in einen stark überzogenen Anstellwinkel gelenkt wurde, resultierte auch der tragische Absturz. Mehr Informationen hierzu finden Sie auch in der Typen-Historie.
Sämtliche Systeme wurden im Zuge der weiteren Testphase in jeder Höhe, jeder Geschwindigkeit und allen Beschleunigungskurven geprüft.
Aufgrund der vielen Ergebnisse und der sorgfältigen Auswertung dieser Daten wurden schließlich einige Modifikationen an den weiteren Serienmaschinen durchgeführt, die eine möglichst hohe Ausfallsicherheit garantieren sollten. Dabei waren es auch sehr viele Forschungen und Änderungen in kleinen Details, die viel Zeit und Geld kosteten. Diese damals übliche Vorgehensweise ist heutzutage undenkbar. Moderne Flieger haben bereits tausende an Rechnern simulierte Flugstunden absolviert, bevor der Erstflug überhaupt in „Sichtweite“ ist. Zur Zeit des HANSA JET hatte man diese Möglichkeiten nicht und mußte sich durch die vielen unvorhersehbaren Probleme kämpfen – mit Erfolg!
Ein weiteres Programm war der Fähigkeitsnachweis, von unbefestigten Pisten aus operieren zu können. Das Fahrwerk war so ausgelegt, daß die hier abgebildete S2 auf der Grasbahn des Braunschweiger Flugplatzes sicher starten und landen konnte. Mit der Unabhängigkeit von befestigten Startbahnen war der HANSA JET in der Lage, deutlich mehr Ziele anzufliegen, als es dem Wettbewerb möglich war. Ob diese Fähigkeit später einmal tatsächlich genutzt wurde, ist leider nicht überliefert – jedoch sehr unwahrscheinlich.
Durchgeführte Modifikationen :
– Vorflügel
– Tragfläche/Grenzschichtzaun
– Höhenleitwerk
– Notstromaggregat
– Heckflosse